"Wir haben den Jahrgangsbericht vom Weingut Wagner-Stempel bekommen. Eine spannende Lektüre, durch die Sie einen Überblick über das "Weinjahr" in und rund um Siefersheim bekommen. Zu dem Text gibt es auch eine spannende Bilddokumentation, mit der die verschiedenen Vegetationsphasen sehr anschaulich erklärt werden. Bei Interesse senden wir Ihnen gerne die pdf zu, einfach per mail anfordern. Und nun viel Spaß beim lesen."
Die Weinlese 2013 wird uns und sicherlich auch vielen Kollegen dauerhaft im Gedächtnis bleiben. „Ein verrücktes Jahr“ wie man gerne sagt, wenn etwas den Rahmen dessen sprengt, was man landläufig kennt und gewohnt ist. Und dennoch steckt auch ein ernsthafter Impuls in der Überschrift, der sehr gut auf das vergangene Weinjahr anwendbar ist. Denn es galt in 2013 zu reagieren – worauf genau – darum soll es in der Folge gehen. Das Jahr begann düster. Im sprichwörtlichen Sinne. Der Januar 2013 verzeichnete für den gesamten Monat genau 34 Stunden Sonne. Ein trauriger Rekord im Vergleich der letzten Dekaden. Der Februar war der kälteste Monat des letzten Winters mit knapp 1 Grad Celsius Durchschnittstemperatur. Noch im März gab es insgesamt 22 Frosttage, und es sollte bis Mitte April dauern, bis die Temperaturen zum ersten Mal deutlich über die 10 Grad Marke rutschten. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass ein so kühles und spätes Frühjahr auch einen späten Austrieb zur Folge haben würde.
Auch der Monat Mai zeigte sich launisch. Es wurde warm und die Vegetation kam mit Riesenschritten voran. Aber bei mehr als 120 Liter Regen und nur 8 trockenen Tagen kam auch bei vielen Nichtwinzern die Ahnung auf, dass ein wunderschönes Frühjahr 2013 wohl „ausfallen“ würde. Der Blütebeginn fiel bei uns am Höllberg auf den 24. Juni. Sommerlich kühles Wetter mit ein wenig Niederschlag führte zu einer uneinheitlichen Blüteperiode bei moderater Verrieselung. Es deutete sich an, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine spätere Lese mit geringeren Erträgen als in den Vorjahren hinauslaufen würde. Der weitere Verlauf des Jahres war natürlich noch völlig ungewiss. Die winzerischen Maßnahmen für den Sommer waren aber umso gewisser.
Der Übergang in den Monat Juli brachte endlich eine stabile Hochdruckwetterlage mit sich, und es folgte einer der schönsten Sommer der letzten Jahre. Weder schwere Unwetter, übermäßige Hitze und Trockenheit noch lokale Hagelschläge waren zu verzeichnen.Wir konnten uns voll auf die Weinbergsarbeit konzentrieren und auf das doch eher launische Frühjahr der vergangenen Monate reagieren. Gerade in Erwartung eines vielleicht späten Herbstbeginns galt es, sämtliche Parzellen so gut wie irgend möglich für die kommenden, wichtigen Monate der Ausreifung zu trimmen.
Mitte September verabschiedete sich der Hochsommer und wechselhaftes, aber dennoch warmes Wetter setzte ein. Ergiebige Regenfälle kamen hinzu, und in der Summe des Monats waren es nicht weniger als 80 Liter Wasser, die pro Quadratmeter niedergegangen waren. Aber die Situation in den Weinbergen war stabil, und es sah noch alles bestens aus. Das Laub war grün und gesund, die Temperaturen ausgewogen, die Zuckerkonzentration in den Beeren nahm stetig zu. Es fing an „zu schmecken“ wie man gerne sagt. Auch von amtlicher Seite wurde zusehends Optimismus verbreitet. Hatte man bei den prognostizierten Reifeverläufen anfangs noch das Vergleichsjahr 1984 mit aufgezeigt, so bewegte sich die Kurve in Verhältnissen von Jahrgängen wie 2004 oder auch 2010. In Anbetracht unserer enormen Anstrengungen im Weinberg und der ökologischen Bewirtschaftung waren wir uns sicher, dass unsere lokale Situation noch sehr viel besser war als die amtlichen Durchschnittswerte. Wir planten mit einem Lesebeginn um den 10.Oktober und sahen den kommenden Wochen sehr optimistisch entgegen. In den Tagen des 3., 4. und 5. Oktobers fielen nochmals rund 40 Liter Regen. Es folgte eine Art „Schockstarre“. Was es jedoch bedeutet, wenn so viel Regen fällt und förmlich in den Boden und die Pflanzen „schießt“, kann man anhand der Winterbegrünung sehr gut veranschaulichen.
Was sich in der Folge bei steigenden Temperaturen und Sonnenschein in den Weinbergen abspielte war eine Art Ausreifung im „Turbomodus“. Mitte Oktober waren insbesondere viele ausgedünnte Rieslingparzellen schon sehr weit in der Entwicklung. Gelbliche, dünne Beerenhäute rissen auf, und der Übergang der Verfärbungen von grün zu gelb und violett vollzog sich teilweise innerhalb weniger Tage. An den Rissen zeigten sich erste Botrytisspuren. Selbst an kühlen Standorten und auf skelettreichen Böden war diese Entwicklung zu beobachten. Darauf mussten wir reagieren. Im Morgengrauen des 10.Oktober begann die Weinlese 2013. Ganze 12 Tage später am 22.Oktober wurden die letzten Trauben für trockene Weine in der Dämmerung heimgebracht. Kein Tag Pause, Abwarten oder Luftholen lag dazwischen. Von Sonnenaufgang bis Untergang wurde gelesen. Die Nächte verbrachten wir mit der Arbeit im Keller. Eine ungeheuer komprimierte und straffe Lese. Seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder „Hochdruck“. In solchen Jahren sind ein eingespieltes Team, eine erfahrene Mannschaft und eine einfache von kurzen, schnellen Wegen gekennzeichnete Logistik von unschätzbarem Wert und Vorteil.
Vor dem Hintergrund der „Bilderbuchjahrgänge“ der letzten Jahre erschien so manchem Beobachter speziell die Handlese zuweilen wie ein überflüssiger Luxus der handwerklich arbeitenden Betriebe. In diesem Herbst war in beinahe allen Rebanlagen gerade aufgrund der Heterogenität der Traubenentwicklung die selektive Handlese der entscheidende Faktor für höchstmögliche Qualität. Ohne die rigorose Selektion am Stock wäre das Endergebnis sicher nicht so erfreulich ausgefallen, wie es am Ende trotz aller Strapazen dann doch war. Der große Unterschied zu den vergangenen Jahren war sicherlich der komprimierte Zeitrahmen, der durch den Regen notwendig geworden war. Konnten wir sonst insbesondere die Rieslinge noch bis in den November „hängen lassen“ und mit großer Ruhe eine rund vier- bis sechswöchige Leseperiode angehen, so mussten wir dieses Jahr in einem weitaus kleineren Zeitfenster agieren, was aber kein sonderliches Problem darstellt. Es ist nur nicht ganz so „romantisch“.
Das Jahr 2013 steht für sich mit allen seinen Eigenheiten und Schwierigkeiten, auf die es beizeiten zu reagieren galt, und ist insofern auch nicht wirklich vergleichbar mit anderen sogenannten „schwierigen“ Jahrgängen wie beispielsweise 2006 oder auch 2010. Rein analytisch betrachtet sind die Mostgewichte gut bis sehr gut gewesen und schwankten zwischen rund 85° Oechsle bei verschiedenen Gutsweinparzellen bis nahe an die 100° Oechsle bei den besten Rieslinganlagen. Die Säurewerte zeigten ebenfalls die keineswegs ungewöhnliche Bandbreite von moderaten 6 g/l verschiedener Burgundersorten bis hin zu rassigen 13 g/l bei einzelnen Rieslingen.
Der Geschmack der Moste war durchweg gut - einerseits sehr klar und frisch und andererseits überaus aromatisch und reif. Ein ganz sicheres Zeichen dafür, dass die allermeisten Trauben zwar etwas früher als gedacht geerntet werden mussten, aber keineswegs in irgendeiner Form unreif waren. Im Gegenteil. Gerade bei den expressiven Aromasorten wie Sauvignon Blanc, Scheurebe und auch Riesling zeigt der Jahrgang eine erstaunlich gute Aromenfülle. Einmal mehr deutet sich ein qualitativ sehr hochwertiger Jahrgang mit feinen, eleganten und sehr duftigen Weinen an. Vielleicht nicht ganz so klar, kühl und straff wie im Vorjahr – aber von ähnlicher Struktur. Es kann gut sein, dass die Weine im Frühjahr durchaus etwas balancierter, saftiger und zugänglicher vom Aromenbild sein werden als der 2012er Jahrgang zum vergleichbaren Zeitpunkt. Wir sind wahrlich selbst sehr gespannt auf die kommenden Monate und die weitere Entwicklung. Qualitativ sieht es derzeit nach einem weiteren ganz ausgezeichneten Jahr aus. Quantitativ bewegen wir uns allerdings weit unter dem Schnitt der letzten Jahre. Das tut bei aller Freude über die vielversprechende Qualität doch ein wenig weh! Hier geht es zu den Weinen von Wagner-Stempel
9.11.2013 Frankfurt/Wein (Quelle: Daniel Wagner)