Frankfurt / Wein

Neues aus Frankfurt/Wein.

Jahrgangsbericht 2019 Wagner-Stempel


Es gibt Jahrgänge im deutschen Weinbau, da bestehen die wichtigsten Utensilien während der Weinlese aus Sonnencrème, kurzer Bekleidung und ausreichend Mineralwasser. Und obgleich diese paar Dinge nur dem ganz alltäglichen Gebrauch dienen, sind sie doch vage Indizien für den allgemeinen Charakter einer Leseperiode an der „Siefersheimer Vulkankante“. In diesem Jahr waren zweifelsohne Gummistiefel, wetterfeste Kleidung und ein „Regenschirm“ die allergebräuchlisten Gegenstände zum Bewältigen des Herbstes. In scharfem Kontrast zu den Schilderungen des Vorjahres soll es im Folgenden um die Details des 2019ers gehen.

Das Jahr begann wie schon so viele in der derzeitigen Dekade ausgesprochen mild. Das gesamte erste Quartal lag im Temperaturdurchschnitt deutlich über dem langjährigen Mittel, und selbst die kumulierte Anzahl der Sonnenstunden war für diesen frühen Abschnitt erstaunlich hoch. Demzufolge war ein ähnlich früher Austrieb wie 2018 zu verzeichnen und deutete vorsichtig auf ein vergleichbar frühes Erntejahr hin. Aber der Mai diesen Jahres fiel doch sehr viel kühler und durchwachsener aus als zuvor, und so verzögerte sich die Rebblüte bis Mitte bzw. Ende Juni.

Nachfolgend brachte der Monat die erste Hitzewelle und Rekordtemperaturen mit sich, und die Blüte selbst zeigte teils starke Verrieselungen. Bereits Anfang Juli war offensichtlich, dass zum einen mit einer eher späten, kühlen Leseperiode Ende September bzw. Anfang Oktober zu rechnen sei. Zum anderen wurde klar, dass rein quantitativ der Jahrgang eher unterdurchschnittlich ausfallen würde, und wir bei der bevorstehenden „grünen Lese“ deutlich behutsamer sein mussten.

Diese Annahme erfuhr im hochsommerlichen Juli eine weitere Bestätigung durch die zweite Rekordhitze innerhalb weniger Wochen, die mit Temperaturen nahe der 40°C Marke an vielen Trauben Sonnenbrandschäden hinterließ. Eine weitere empfindliche und vor allen Dingen quantitative Einbuße, die trotz sorgfältiger und vorsichtiger Entblätterung kaum zu verhindern war.

Aber abgesehen von diesen Blessuren überstanden die Weinberge das hochsommerliche Wetter erstaunlich gut. Auch bezüglich der Niederschläge war Siefersheim dieses Jahr auf der glücklichen Seite. Keine Trockenschäden, keine schwerwiegenden Stresssituationen, und auch sonst blieben wir von den üblichen Kapriolen wie Hagelschlägen und Wespenfraß weitestgehend verschont. Anfang September warteten teils mustergültige Parzellen auf ihren letzten Reifeschub und die finale Aromenausprägung in den kühlen Oktobernächten. Wir sahen voller Optimismus und Vorfreude dem nahenden Herbstbeginn entgegen.

Die Lese begann in entspannter Atmosphäre in der dritten Septemberwoche mit Vorlesen für Sektgrundwein, Rosé und Spätburgunder. All dies in bester Stimmung und mit großer Zuversicht bei herrlich warmem und sonnigem Spätsommerwetter. Mit dem Beginn der Hauptlese am 23.09. kippte die stabile Hochdruckwetterlage jedoch vollständig, und ein geradezu radikaler Wechsel in völlig unbeständige, regennasse Witterung vollzog sich. Es schien wirklich so, als hätten höhere Mächte einen Schalter umgelegt. Nach jedem erneuten Regentag folgte der fast ungläubige Blick auf die Wetterprognosen und wurde wieder und wieder enttäuscht. Beinahe drei Wochen lang bis zum 11. Oktober fiel jeden Tag Regen. Mal mehr, mal weniger. Insgesamt summierten sich die Niederschläge auf beinahe 70 Liter. Eine solche Situation hatten wir auch noch nicht erlebt. Unfassbar. Und das war nicht auf Siefersheim beschränkt. Beinahe ganz Rheinland-Pfalz erlebte alles andere als einen „goldenen Oktober“.

Das „Glück im Unglück“ waren die teils kräftigen Winde und die tiefen Temperaturen, die diese Periode begleiteten. Andernfalls wären die Verhältnisse noch viel schwieriger geworden. Aber es war so schon herausfordernd genug. Wir besannen uns folglich auf unsere besonderen Stärken und die Erfahrung aus anderen schwierigen Jahren und gingen äußerst konzentriert und mit großer Permanenz vor. Handlese war der Schlüssel zum Erfolg. Immer wieder mussten einzelne Weinberge vorgelesen werden, musste akribisch selektiert werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Die kurzen Wege, die schnellen logistischen Abläufe, eine perfekt eingespielte Lesemannschaft mit jahrlanger Erfahrung und nicht zuletzt ein großes Maß an mentaler Stärke und physischem Durchhaltevermögen haben uns diesen Herbst mit vielfach großartigen Ergebnissen bewältigen lassen. Ein „selbstbewusstes Trotzdem“ war der mentale Leitfaden in 2019.

In den letzten vier Tagen bis zum 14. Oktober kehrte final sogar das sonnenwarme und trockene Wetter zurück, und wir konnten insbesondere innerhalb dieses kurzen Zeitfensters eine Vielzahl unserer besten Parzellen in den Keller holen. Mehr als 22 Tage Weinlese waren da bereits verstrichen. Ohne Pause, ohne Innehalten und ohne geduldiges Abwarten, wie wir es uns sonst in so vielen anderen Jahren leisten konnten. Ein wahrer „Parforceritt“ und mit Sicherheit die anstrengendste und aufreibendste Weinlese der letzten Jahre.

Das große Stichwort vieler Jahrgänge mit optimalen Verhältnissen während der Lesezeit ist Homogenität. Egal welche Rebsorte, egal welcher Weinberg eigentlich findet man in solchen Jahren nur hervorragend ausgereifte, goldgelbe und gesunde Trauben. Traumjahre nennen wir intern so etwas, weil es wie ein Geschenk erscheint, wenn die Natur einem die Früchte in so optimaler Verfassung entgegenbringt. Ein Weinjahr wie 2019 in genau dieses Licht zu rücken, wäre sicherlich unangebracht und sachlich kaum zu vertreten. Doch es muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass die Ergebnisse der diesjährigen Weinlese trotz aller Widrigkeiten und Umstände in großen Teilen wirklich ausgesprochen gut waren.

Heterogener in der Qualität, abhängiger von der spezifischen Lage, dem Mikroklima, dem Alter der Reben und natürlich der jeweiligen handwerklichen Vorarbeit. Aber insgesamt auch angesichts aller Unterschiede und Nuancen war es ein sehr sauberes und hochwertiges Ergebnis. 2019 kamen alle Attribute zum Tragen, die man sonst oftmals so beiläufig erwähnt. Es war in diesem Jahr von ungeheurer Tragweite, ob die Trauben perfekt freigestellt waren, ob der Behang eher moderat war und kaum Verdichtungen existierten. Auch die Lage der Parzelle selbst, beispielsweise in einem steilen, windoffenen Bereich der HEERKRETZ, führte zu ganz anderen Ergebnissen als auf tiefgründigen Böden in windgeschützter Lage am Siefersheimer Horn. Solche Jahrgänge wie 2019 führen auch uns selbst immer wieder vor Augen, wie entscheidend das handwerkliche Arbeiten im Weinberg sein kann. Die Handlese erscheint angesichts immer besser werdender Maschinen und Mechanisierung zuweilen wie ein Relikt aus früheren Jahrhunderten. Aber in diesem Jahr musste jeder, der keine Kompromisse bei der Qualität in Kauf nehmen wollte, wieder die Schere und den Eimer in die Hand nehmen.

Stilistisch wird es anders als im Vorjahr. Feiner und schlanker, mit größerem Spannungsbogen und mehr salzigem Nachhall. Vor allem physiologisch hat die lange Ausreifung bis weit in den Oktober mit vielen kalten Nächten zu absolut ausgereiften, saftigen Trauben geführt. Das hat sich taktil bei der Beere genauso bemerkbar gemacht wie später auch im Aromenbild der frischen Moste.

Insbesondere dem Riesling hat die lange Ausreifung sehr gut getan, und es war in Teilen wirklich frappierend, wie intakt und stabil viele Parzellen auch noch in der letzten Lesewoche dastanden. Die Reifegrade bewegten sich über alle Rebsorten hinweg zwischen 82 und 94 Grad Oechsle, und die Mostsäuren pendelten sich zwischen 6 bis 10 Gramm pro Liter ein. Bei den für Siefersheim so typisch niedrigen pH-Werten, insbesondere bei den Spätburgundern waren in diesem Jahr alle Werte unter 3, konnte demzufolge ohne Bedenken mit Maischestandzeiten gearbeitet werden, und überhaupt war die weitere kellertechnische Verarbeitung ganz im Gegensatz zur Arbeit in den Weinbergen sehr entspannt und wenig aufwendig.

Insgesamt betrachtet erwartet uns im Vergleich zu 2018 wahrscheinlich ein filigranerer, feinerer Jahrgang, der aromatisch sicher vielschichtiger, komplexer und vom Mundgefühl spannungsreicher ausfallen wird. Bestach der Jahrgang 2018 so sehr mit seiner Klarheit, der überraschenden Frische und Konzentration, so werden dieses Mal eher Worte wie Feinheit, Eleganz und salzige Spannung zum Ausdruck kommen. Sprachliche Umschreibungen wie wir sie bei Jahrgängen wie 2008, 2012 oder auch 2016 verwendet haben.

Insofern wird auch der 2019er noch seine Zeit und Entwicklung im Keller und auf der Flasche brauchen, und es ist ihm zuzutrauen, dass er sich ganz hervorragend und „eigen“ entwickelt. Warten wir es ab!

Daniel Wagner & Oliver Müller

18.11.2919

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